Es geht um jede Zehntelsekunde

Höchste Konstrukteurskunst von Röhm: Auf einem Bauraum von 80 mm Durchmesser und 130 mm Höhe ist die gesamte Mechanik des 3-Backen-Spannfutters untergebracht.
Die SCX-Maschinen von Schütte verfügen über einen ungewöhnlich freien Arbeitsraum, aus dem alles verbannt wurde, was nicht direkt an der Entstehung des Werkstücks beteiligt ist.

Applikation Schütte

Backenfutter von Röhm erhöhen Automatisierungspotenzial der Schütte Drehautomaten

(Köln/Sontheim) Als ein führender, weltweit agierender Hersteller von Mehrspindel-Drehautomaten bietet die Alfred H. Schütte GmbH & Co. KG aus Köln innovative Maschinenkonzepte zur flexiblen Komplettbearbeitung von hochkomplexen Drehteilen. Kunden und Anwender der leistungsfähigen Maschinen fordern für die Fertigung von Drehteilen neben höchster Präzision und Wirtschaftlichkeit immer öfter auch die Möglichkeit zur Produktion  aufwändigster Geometrien auf einer Maschine ohne nachfolgende Arbeitsschritte. Die aktuelle Maschinengeneration SCX überrascht mit einem ungewöhnlich freien Arbeitsraum, der große Freiheiten in der Konfigurierung und einfaches Umrüsten ermöglicht.
Für die Handhabung der Werkstücke setzt Schütte auf Spanntechnik von Röhm. Speziell entwickelte Backenfutter unterstützen die Geschwindigkeit der  Maschinen und wechseln das Werkstück blitzschnell und sicher samt HSK- Aufnahme zwischen den beiden Spindeln für die Rückseitenbearbeitung. Die Entwicklung des starken und sicheren Backenfutters auf kleinstem Bauraum war eine der größten Herausforderung in der über 100-jährigen  Firmengeschichte von Röhm.

„Unsere Kunden müssen heute komplexeste Werkstücke mit immer kürzeren Lebenszyklen und kleineren Losgrößen wirtschaftlich fertigen können“, betont Guido Spachtholz. „In einem sehr wettbewerbsintensiven Umfeld wird dabei vor allem ein höchstmöglicher Automatisierungsgrad in der Fertigung zum entscheidenden Überlebensfaktor von Drehteileherstellern“, so der promovierte Konstruktionsleiter bei Schütte. Der 1880 gegründete, in vierter Generation familiengeführte Maschinenhersteller Alfred H. Schütte GmbH & Co. KG aus Köln reagiert auf Markt- und Kundenanforderungen schon immer mit Innovationen. Bei der aktuellen Generation der Schütte-Mehrspindel-Drehautomaten haben die Ingenieure sich erneut von den Anforderungen an Wirtschaftlichkeit, Flexibilität und Automatisierung leiten lassen. Die SCX-Maschinen verfügen über einen ungewöhnlich freien Arbeitsraum, was den Spänefall optimiert. Aus dem Zerspanungsraum ist alles verbannt, was nicht direkt an der Entstehung des Werkstücks beteiligt ist. So finden sich darin weder Antriebs- und  Führungselemente noch Schmier- und Kühlleitungen oder Kabel. Schnell  tauschbare Werkzeugköpfe machen das Umrüsten zwischen unterschiedlichen Einstellungen einfacher. Darüber hinaus ermöglicht das patentierte Schütte-Prinzip der dezentralen Antriebsregler für die Hauptspindeln mit integriertem Motor das endlose Durchtakten der Trommel und minimiert somit Verschleiß und Störanfälligkeit.

Alles wird auf größtmögliches Tempo ausgerichtet

Die Maschinen der SCX-Baureihe für Material mit 32 mm Durchmesser werden in verschiedenen Varianten als Stangen-, Futter- oder Magazinmaschine angeboten. Das Spektrum reicht von Maschinen mit sechs Hauptspindeln für Werkstücke, die sich fast vollständig von der ersten Werkstückseite fertigen lassen, bis zum Neunspindler, mit dem Werkstücke auch auf der Rückseite umfangreich bearbeitet werden können. Die Möglichkeiten zur Automatisierung steigen mit der Spindelanzahl, wie Spachtholz bestätigt: „85 Prozent unserer Kunden bestellen den Neunspindelautomaten und nutzen so das größtmögliche
Automatisierungspotenzial. Sie erwarten von uns jedoch nicht nur eine Maschine, sondern vielmehr eine Lösung für ihre Fertigungsanforderung.“ Neben Präzision und Zuverlässigkeit gilt der größte Fokus einer schnellen Taktzeit. So werden bei der  uftragsabhängigen Ausrüstung einer Maschine sämtliche Prozessschritte kunden- und bauteilspezifisch an kürzesten  Taktzeiten ausgerichtet. Stangenvorschub, Werkstückein- und –ausschleusung, Trommeltaktung und Bearbeitungsoperationen müssen für eine ideale Stückzeit synchronisiert sein.

„Die Maschinen werden möglichst auf das jeweilige Bauteil abgestimmt, mit dem uns die Kunden häufig als erstes konfrontieren. Trotzdem ist Flexibilität gefragt, damit auch auf andere Teile umgerüstet werden kann“, schildert Andreas  Schulz, promovierter Teamleiter für die Mehrspindel-Drehautomaten bei Schütte, den Spagat. Häufig handelt es sich um Teile für Automobil- oder Fluidtechnik z. B. aus Stahl, Aluminium oder Messing. Wenn die Maschine kunden- beziehungsweise bauteilspezifisch konzipiert wird, richtet man bei Schütte alles am jeweiligen Engpass aus. „Denn schließlich geht es hier um Zehntelsekunden“, betont Spachtholz nachdrücklich. Die geringste Taktzeit beträgt unglaublich schnelle 3,5 Sekunden. Ein paar verlorene Zehntel je Prozessschritt können direkt zu einer unerwünschten Erhöhung der Stückzeit führen „Das hat unmittelbare Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit.“

Werkstückwechsel samt Futter und HSK-Schnittstelle

Damit die Rückseitenbearbeitung nicht zum Zeit fressenden Engpass wird, wurden an Wechselzeit und –präzision höchste Ansprüche gestellt. Auf den drei Gegenspindeln kommt dabei ein von Röhm speziell entwickeltes Dreibacken-Spannfutter mit HSK-Schnittstelle zur Spindel zum Einsatz, das allerhöchsten Anforderungen gerecht wird. „Neben einer Spannkraft von 16 kN, einer Rundlauf-Genauigkeit von 1/100 mm und hohen Schließ- und Öffnungsgeschwindigkeiten muss das Wechseln mit geringst möglichen Form- und Lagefehlern gewährleistet sein“, schildert Röhm-Fachberater Friedhelm Schneider die Herausforderungen. „Der größte Anspruch waren jedoch die geringen Platzverhältnisse.“ Auf einem Bauraum von 80 mm Durchmesser und 130 mm Höhe ist die gesamte Mechanik des Futters mitsamt der HSK-Aufnahme untergebracht. Um die drei Spannbacken zu betätigen, arbeiten im Futterkörper sechs Federpakete, die über Keilstangen geführt werden. Zur Herausforderung wurde die Auswahl der Federn, die eine Kraft von 8.000 Newton aufbringen müssen und deren Federkennlinie sehr flach ist, damit die Kraft nicht steil abfällt. Darüber hinaus verlangen Fertigung und Montage von Bolzen, Zuganker und Keilstangen allerhöchste Präzision.

Wechselgenauigkeit und –geschwindigkeit sind ganz entscheidend erhöht worden, indem man nicht nur das Werkstück sondern das gesamte Futter mitsamt HSK-Aufnahme wechselt.
Das versichert auch Schneider: „Wir sind zehn- bis zwanzigmal genauer, als wenn wir nur das Werkstück wechseln würden.“ Zuvor musste allerdings die Betätigung des Backenfutters durch die HSK-Aufnahme gelöst werden. Die Schütte-Konstrukteure nutzten die Kühlmittelbohrung für die innere Kühlung und führen durch diese Öffnung einen Stößel, der das Backenfutter mechanisch gegen das Federpaket öffnet.

Eine über 40 Jahre gewachsene Zusammenarbeit

Das Ergebnis überzeugt Maschinenbauer und Kunden gleichermaßen. Seit 2008 werden die Röhm-Spannfutter auf den seit 2006 angebotenen SCX-Maschinen eingesetzt und absolvieren klaglos mehrere Millionen Zyklen zuverlässig und wartungsfrei.
Sicher auch ein Ergebnis der langjährigen Zusammenarbeit der beiden Familienunternehmen. „Die beiden Familien kennen sich bestimmt schon seit über 40 Jahren“, erklärt Schneider. Und so wundert es auch nicht, dass bei Röhm derzeit rund 30 Schütte-Drehautomaten aus den Baujahren 1968 bis 2010 produzieren.